Eine Bergsteigerin reicht einem anderen Bergsteiger die Hand und hilft ihm

Das Sozialstaatsprinzip

Sicherheit und

Gerechtigkeit im Sozialstaat

Deutschland ist ein Sozialstaat. Das bedeutet: Für soziale Sicherheit und Gerechtigkeit zu sorgen, gehört zu den grundlegenden Aufgaben von Politik und Gesetzgebung.

Soziale Sicherheit

Die gesetzliche Sozialversicherung soll Erwerbstätige und ihre Angehörigen gegen die wichtigsten Lebensrisiken absichern.

  • Arbeitslosigkeit
  • Krankheit
  • Pflegebedürftigkeit
  • Unfall
  • Alter

Sozialleistungen aus Steuergeldern erhalten in der Regel Menschen, die nicht arbeiten oder zu wenig fürs Leben verdienen. Zum Beispiel: Grundsicherung und Sozialhilfe sowie Kinder- und Elterngeld. 

Soziale Gerechtigkeit

Alle Menschen sollen gleiche Chancen haben, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. 

Bildung ist eine wichtige Voraussetzung, deshalb werden Kitas, Schulen und Hochschulen vom Staat bezahlt. Auch die Inklusion von Menschen mit Behinderung wird gefördert. 

Die Einkommens- und Vermögensunterschiede in der Gesellschaft sollen nicht zu groß werden. Steuerfinanzierte Sozialleistungen ermöglichen auch wirtschaftlich schwachen Menschen, am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. 

Finanzierung

des Sozialstaats

Der Sozialstaat wird durch Beiträge zu den Sozialversicherungssystemen und Steuern finanziert. Die gesetzlichen Sozialversicherungen haben das Ziel, die größten Lebensrisiken finanziell abzusichern: wenn Menschen ihren Job verlieren, krank werden, einen Unfall haben oder im Alter nicht mehr arbeiten können und gepflegt werden müssen. Zusätzlich hilft der Staat Menschen, die von Armut bedroht sind, sowie Familien mit Kindern durch Förder- und Fürsorgeleistungen. Das sind zum Beispiel Wohngeld, Kinder- und Elterngeld oder Sozialhilfe. Jedes Jahr veröffentlicht die Bundesregierung die Sozialausgaben Deutschlands, das sogenannte Sozialbudget. Die Sozialversicherungen haben im Jahr 2020 ungefähr 683 Milliarden Euro für Leistungen gezahlt. 207 Milliarden Euro betrugen außerdem die Förder- und Fürsorgeleistungen an die Bundesbürger*innen. Insgesamt wurden für Sozialleistungen 1,1 Billionen Euro im Jahr 2020 ausgegeben.

Finanzierung des Sozialstaates: Woher kommt das Geld?

Der Sozialstaat speist sich aus zwei Quellen: Beiträgen und Steuern. Die Sozialversicherungen finanzieren sich überwiegend durch Beiträge, die Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen gemeinsam bezahlen. Ausnahme ist die Unfallversicherung, in die nur die Arbeitgeber*innen einzahlen. Das Geld für Förder- und Fürsorgeleistungen stammt dagegen aus Steuern, die alle Bürger*innen an den Staat bezahlen müssen. Auf der Gehaltsabrechnung können Arbeitnehmer*innen und Auszubildende sehen, welche Beiträge und Steuern sie von ihrem Lohn zahlen.

Das Sozialbudget 2020

Anteile an den Gesamtausgaben einschließlich der Beiträge des Staates

1) Gesetzlich und Privat 2) Pensionen, Familienzuschläge, Beihilfen 3) Entgeldfortzahlung, Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes u.a.m. 4) Alterssicherung der Landwirte, Versorgungswerte, private Altersvorsorge 5) einschließlich sonstige Arbeitsförderung 6) Ausbildungs- und Aufstiegsförderung, Wohngeld und Entschädigungssysteme Bezeichnung: Das Sozialbudget nach Sicherungszweigen im Jahr 2020 Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Sozialbericht 2021

Geht die Rechnung auf?

Die Finanzierung des Sozialstaats kann sich verändern. Im Zentrum stehen vier Grundfragen: Wie viele Menschen zahlen auf der einen Seite Beiträge ein? Wie viele Menschen sind auf der anderen Seite berechtigt, Leistungen zu empfangen? Wer soll überhaupt Leistungen beziehen? Und in welcher Höhe?
Wer Geld aus den sozialen Sicherungssystemen und Fördertöpfen bekommt, ist im Gesetz festgelegt: Nur wer Beiträge eingezahlt hat, kann Leistungen aus den Sozialversicherungen bekommen.
Auf Förder- und Fürsorgeleistungen haben Bedürftige einen Anspruch, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Ein Beispiel: Das eigene Vermögen und das der Familie ist so niedrig, dass ein Mensch nicht selbst seinen Lebensunterhalt bestreiten kann – dann springt der Staat ein.

In einer alternden Gesellschaft oder in Wirtschaftskrisen verändert sich das Bild: Weniger Beitragszahler stehen mehr Empfängern von Sozialleistungen gegenüber. Damit das System weiter funktioniert, kann der Gesetzgeber (Bundestag und Bundesrat) auf drei Arten reagieren:

  1. Beiträge für die Einzahler erhöhen
  2. Leistungen für die Empfänger kürzen – sie müssen dann mehr selbst zahlen oder sich zusätzlich privat absichern
  3. Steuern für einen Zuschuss zum Sozialversicherungssystem verwenden

Oder umgekehrt: Wenn die Einnahmen höher sind als die Ausgaben, kann der Gesetzgeber die Beiträge senken, die Leistungen erhöhen oder die Zuschüsse aus Steuern reduzieren.

Beispiel-Gehaltsabrechnung

einer Auszubildenden von brutto zu netto, Stand 2021

Quelle: eigene Darstellung, Stand Juli 2021

Sozialwahl:

Versicherte bestimmen mit

Wer in den Organen der Sozialversicherungsträger mitentscheiden will, muss sich zur Wahl stellen: Alle sechs Jahre findet die sogenannte Sozialversicherungswahl – oder kurz: Sozialwahl – statt. Die Idee: Die Betroffenen, das sind in der Regel Versicherte und Arbeitgeber*innen, sollen über ihre Interessenvertreter*innen mitbestimmen dürfen. Damit bildet die Sozialwahl das Kernstück der Demokratie in der Sozialversicherung.

Wer darf wählen?
Alle Beitragszahler*innen ab 16 Jahren. Es gelten Ausnahmen zum Beispiel bei der Krankenkasse für familienversicherte Student*innen.

Wer steht zur Wahl?
Mit der Sozialwahl werden die Mitglieder der folgenden Organe der Sozialversicherungsträger von den Beitragszahlern gewählt:

 

  • Verwaltungsräte der gesetzlichen Krankenkassen
  • Vertreterversammlungen der gesetzlichen Unfallversicherung
  • Vertreterversammlungen der gesetzlichen Rentenversicherung

Zur Wahl stellen sich auf den Vorschlagslisten für die Versicherten in der Regel Gewerkschaften oder andere Arbeitnehmervereinigungen mit sozialpolitischen Zielen. Außerdem können sich Versicherte selbst zu sogenannten freien Listen zusammenschließen und antreten. Informationen über Kandidat*innen und deren Programme liefern insbesondere die Mitgliederzeitungen und Internetseiten der Sozialversicherungsträger. Aber auch die Listen selbst bewerben die Sozialwahl und informieren über ihre Ziele und Kandidat*innen. Wahlkampfveranstaltungen wie bei politischen Wahlen sind eher unüblich.

50,9 Millionen Menschen

durften 2017 bei der Sozialwahl mitentscheiden. Nur bei Bundestags- und Europawahlen gibt es mehr Wahlberechtigte. Bei der nächsten Sozialwahl 2023 kann neben der Wahl per Brief erstmals auch online abgestimmt werden.

Sozialversicherung im Überblick

Fünf Säulen der Sozialversicherung

Prinzipien der Sozialversicherung

1. Versicherungspflicht

Das Gesetz schreibt vor, wer versicherungspflichtig ist und damit Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung erhält. Wer fest in einem Job arbeitet oder eine Ausbildung macht, gehört meistens automatisch dazu – so sind in Deutschland etwa 90 Prozent der Bevölkerung sozialversichert. Selbstständige müssen sich dagegen meist selbst um ihre Absicherung kümmern. Weitere Ausnahmen sind Soldat*innen, Richter*innen und Beamt*innen, die bei Bund, Ländern und Gemeinden angestellt sind, und ihre Leistungen deshalb statt aus Beiträgen direkt aus Steuern erhalten.

2. Selbstverwaltung

Die Träger der Sozialversicherung erfüllen alle Steuerungsaufgaben eigenverantwortlich. Der Staat nimmt eine Aufsichtsfunktion wahr. Die Selbstverwaltung wird durch die Versicherten und die Arbeitgeber*innen – also durch die Beitragszahler*innen – ausgeübt. Durch die Sozialwahl haben die Versicherten Einfluss auf die Besetzung der Selbstverwaltungsorgane.

3. Beitragsfinanzierung

Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen bezahlen die Leistungen der Sozialversicherungen in Form von Beiträgen. Die Höhe orientiert sich am Bruttogehalt.

4. Solidarität

Alle Menschen, die Beiträge bezahlen, sind durch die Sozialversicherungen abgesichert – ob sie viel Geld beisteuern können oder wenig. So entsteht ein Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken, Erwerbstätigen und Arbeitslosen, Jungen und Alten, Singles und Familien.

5. Äquivalenz

Äquivalenz bedeutet Gleichwertigkeit: Wie hoch die Leistungen sind, hängt von den bisher bezahlten Beiträgen ab. Dieses Prinzip greift bei der Rente, dem Arbeitslosengeld, der Unfallversicherung und bei Lohnersatzleistungen wie dem Krankengeld.

Übungen

Teste

dein Wissen

Sohn sitzt auf Schoß seiner Mutter, die im Rollstuhl sitzt

Grundprinzipien der Sozialversicherung

Alles rund um die Grundprinzipien der Sozialversicherung ist bei diesem Test richtig zu ergänzen.

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Familie ist umhüllt von Deutschlandflagge

Sozialstaatprinzip

Hier dreht sich alles um die fünf Elemente der Sozialversicherung. Entscheidet, welche Aussagen richtig sind.

Los geht's!